IBM & INTEL – Niedergang und strategische Chancen

IBM’s Niedergang und seine aktuellen Chancen lassen sich anhand einer differenzierten Analyse von Markttrends, strategischen Fehlern und neuen Geschäftsfeldern darstellen. Der Vergleich mit Intel verdeutlicht zudem, wie etablierte Technologieunternehmen durch Innovationsrückstand ins Hintertreffen geraten können und welche Strategien erforderlich sind, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Folgenden werden die zentralen Gründe für IBMs Niedergang, seine aktuellen Chancen sowie die Parallelen zu Intel herausgearbeitet.

Gründe für IBMs Niedergang

  1. Versäumnis im Cloud-Geschäft: IBM war ursprünglich ein Pionier in der Cloud-Technologie, hatte diese bereits in den 1970er Jahren konzipiert. Dennoch verpasste das Unternehmen den ersten Cloud-Boom der 2010er Jahre. Während Amazon (AWS), Microsoft (Azure) und Google (Google Cloud) den Markt eroberten und Cloud-Geschäfte auf hyperskalierbare Infrastrukturen stützten, setzte IBM auf traditionelle, hardwarebasierte Ansätze. Auch der strategische Fokus auf private Clouds für hochsensible Daten mag lukrativ sein, skalierte jedoch nicht im gleichen Maße wie das Public-Cloud-Geschäft der Konkurrenten. IBM rangiert heute im Cloud-Markt nur noch unter ferner liefen und kann mit den Hyperscalern nicht konkurrieren.
  2. Innovationsrückstand bei Künstlicher Intelligenz (KI): IBM war mit der Watson-Plattform einst ein Vorreiter im Bereich Künstliche Intelligenz. Watson erregte insbesondere durch den Sieg in der Quizshow „Jeopardy!” im Jahr 2011 Aufmerksamkeit. Doch während OpenAI, Google und Meta sich auf großangelegte, internetbasierte Sprachmodelle konzentrierten und KI als Consumer-Produkt etablierten, blieb IBM in der Nische. WatsonX, IBMs heutige Plattform, konzentriert sich auf sicherheitsorientierte Lösungen und den Einsatz von KI hinter Firewalls, was zwar für Branchen wie Verteidigung und Finanzwesen attraktiv ist, aber nicht die Skaleneffekte der OpenAI-Modelle erreicht.
  3. Rückgang im Hardware-Geschäft und Fokussierung auf Legacy-Systeme: IBM war einst führend im Hardware-Geschäft und dominierte den Markt für Mainframes und Server. Doch als sich der Markt in den 2000er Jahren immer mehr in Richtung Cloud- und Softwarelösungen bewegte, verlor IBM an Boden. Zwar bleibt IBM mit seinen Mainframes für kritische Infrastrukturen in Banken und Behörden weiterhin unverzichtbar, doch das Geschäft wächst kaum noch. Gleichzeitig konnten neue Konkurrenten, die auf agile, softwarebasierte IT-Infrastrukturen setzten, IBM überholen.
  4. Diversifizierungsfalle: Ein weiteres Problem war die übermäßige Diversifizierung des Portfolios. IBM bot lange Zeit eine breite Palette an Produkten und Dienstleistungen an, von Hardware über Software bis hin zu IT-Services. Diese Strategie der „Breite statt Tiefe“ erwies sich jedoch als hinderlich, als es darum ging, sich auf wachstumsstarke Zukunftsbereiche wie Cloud und KI zu konzentrieren. Während Wettbewerber wie Microsoft gezielt ihre Cloud-Sparte ausbauten, war IBM in zu vielen Bereichen gleichzeitig aktiv und konnte keine klare Führungsrolle in einem der entscheidenden Zukunftsmärkte übernehmen.

Aktuelle Chancen und Strategien

  1. Quantencomputing als Zukunftschance: Eine der größten Wetten von IBM auf die Zukunft ist das Quantencomputing. Hier hat IBM mit seinem IBM Q System One bereits wichtige technologische Fortschritte erzielt und plant, sich durch Quantencomputer als Technologieführer neu zu etablieren. Die Technik befindet sich allerdings noch in einem frühen Entwicklungsstadium, und es gibt bislang kaum kommerzielle Anwendungen. Sollten sich Quantencomputer jedoch durchsetzen, könnten sie IBM wieder zu einem zentralen Akteur in der IT-Branche machen. IBM bleibt in diesem Bereich aufgrund jahrzehntelanger Forschung und Erfahrung ein wichtiger Player, allerdings ist der Ausgang der Wette auf Quantencomputing noch ungewiss.
  2. Hybrid Cloud als Nischenstrategie: IBM setzt verstärkt auf hybride Cloud-Lösungen, bei denen kundeneigene Server mit Cloud-Lösungen kombiniert werden. Dies bietet Unternehmen eine sicherere Alternative zu rein öffentlichen Cloud-Lösungen und wird vor allem von Kunden in sicherheitskritischen Branchen wie Finanzwesen, Verteidigung und Gesundheitswesen geschätzt. Der Kauf von Red Hat im Jahr 2019 für 34 Milliarden US-Dollar war ein zentraler Schritt, um IBMs Hybrid-Cloud-Strategie zu stärken. Die hybride Cloud könnte ein wichtiger Wachstumsbereich bleiben, allerdings skaliert dieses Geschäft nicht so schnell wie das Public-Cloud-Geschäft der Konkurrenz.
  3. Stärkung des Beratungssektors: IBM hat sich zu einem der weltweit größten IT-Beratungsunternehmen entwickelt, was ein wesentlicher Bestandteil der aktuellen Geschäftsstrategie ist. Die Beratungsdivision, die mittlerweile 160.000 der insgesamt 300.000 IBM-Mitarbeiter beschäftigt, generiert rund 20 Milliarden US-Dollar Umsatz pro Jahr. Besonders im öffentlichen Sektor, etwa bei der NATO oder der Bundeswehr, ist IBM ein gefragter Partner für IT-Beratung und die Umsetzung von digitalen Großprojekten. Diese Positionierung als neutraler Berater, der Lösungen von Wettbewerbern wie AWS und Microsoft integriert, hilft IBM, Marktanteile zu gewinnen, auch wenn das Beratungsmodell nicht so skalierbar ist wie Software- oder Cloud-Geschäfte.
  4. WatsonX und AI-Partnerschaften: Obwohl IBM mit Watson zunächst in den Schatten neuer KI-Giganten wie OpenAI trat, verfolgt das Unternehmen nun eine Strategie der Kooperation. IBM bietet auf seiner WatsonX-Plattform nicht nur eigene KI-Modelle an, sondern auch die Lösungen der Konkurrenz wie Meta und OpenAI. Besonders für Kunden mit hohen Sicherheitsanforderungen, die auf eine datengeschützte Offline-KI-Lösung angewiesen sind, könnte IBM hier einen Wettbewerbsvorteil haben.

Vergleich mit Intel

Wie IBM hat auch Intel in den vergangenen Jahren technologische Entwicklungen verschlafen, insbesondere im Bereich mobiler und KI-Prozessoren. Intel verlor Marktanteile an Wettbewerber wie AMD und Nvidia, da es nicht rechtzeitig auf den Boom von GPUs für KI-Anwendungen reagierte. Beide Unternehmen, Intel und IBM, waren in ihren jeweiligen Bereichen früher führend, haben jedoch ihre Marktdominanz durch zu langsame Reaktionen auf technologische Umbrüche eingebüßt.

Die Parallelen zwischen den beiden Unternehmen sind offensichtlich: Beide waren auf Hardware fokussiert, die in den 2010er Jahren immer weniger gefragt war, und beide verpassten den Anschluss an wachstumsstarke Zukunftsmärkte. Doch beide Unternehmen haben nun begonnen, durch Kooperationen und Fokussierung auf Spezialmärkte (IBM im Bereich Quantencomputing und Hybrid-Cloud, Intel im Bereich KI-Chips und Rechenzentren) wieder Boden gutzumachen. Während Intel sich verstärkt auf KI und die Wiederbelebung des Prozessorgeschäfts konzentriert, setzt IBM auf Nischenmärkte wie sichere Cloud-Lösungen und militärische KI-Anwendungen.

Herausforderungen für die Zukunft

  1. Langsames Wachstum in neuen Geschäftsfeldern: IBMs Cloud- und Quantencomputing-Geschäfte sind lukrativ, aber wachsen langsamer als die skalierbaren Geschäfte der großen Hyperscaler wie AWS oder Microsoft. Der Erfolg von Quantencomputing hängt zudem stark von der Entwicklung eines kommerziellen Marktes ab, der noch in den Kinderschuhen steckt.
  2. Abhängigkeit von Legacy-Geschäften: IBMs Mainframe-Geschäft bleibt ein wichtiger Umsatzbringer, doch das Marktpotenzial für diese Technologien wächst nicht mehr. Das Unternehmen muss den Spagat schaffen, weiterhin bestehende Kunden zu bedienen, während es gleichzeitig neue, wachstumsstarke Geschäftsfelder aufbaut.
  3. Wettbewerb und Investitionsbedarf: IBM investierte 2023 rund 7 Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung, während Wettbewerber wie Microsoft und Amazon weitaus höhere Summen in ihre Wachstumsfelder stecken (97 Milliarden bzw. 50 Milliarden US-Dollar). Dieser Investitionsrückstand könnte langfristig zu einem weiteren Verlust von Wettbewerbsfähigkeit führen, insbesondere im Bereich Quantencomputing und KI.

Fazit

IBM hat in der Vergangenheit entscheidende Trends wie Cloud und KI verschlafen, konnte jedoch durch strategische Transformationen wieder Boden gutmachen. Die Fokussierung auf hybride Cloud-Lösungen, Beratungsdienstleistungen und Quantencomputing bietet IBM Chancen, in Nischenmärkten erfolgreich zu sein. Wie bei Intel zeigt sich, dass ein rechtzeitiger Wechsel zu neuen Technologien für etablierte Unternehmen essenziell ist, um langfristig relevant zu bleiben. Während IBM vor allem durch seine Partnerschaften und seine starken Kundenbeziehungen im öffentlichen Sektor punkten kann, bleibt abzuwarten, ob die Investitionen in Quantencomputing und KI ausreichen, um das Unternehmen wieder zur technologischen Spitze zu führen.