Der Eigentumsvorbehalt bei internationalen Exportgeschäften

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 10. Mai 2023 (Az. 18 W 517/23 e) wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, die sich aus dem Eigentumsvorbehalt in internationalen Exportgeschäften ergeben. Die Vereinbarkeit von deutschen Sicherungsmechanismen mit ausländischen Rechtsordnungen sowie praktische Schwierigkeiten bei der Vollstreckung solcher Ansprüche standen im Fokus des Falles.

Hintergrund des Falles

Im zugrunde liegenden Sachverhalt verkaufte eine tschechische Antragstellerin Produktionsanlagen an eine Käuferin in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Geliefert wurden die Anlagen an eine Gesellschaft in Slowenien, wo sie installiert wurden. Der Kaufvertrag beinhaltete eine Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts sowie einen Eigentumsvorbehalt. Wegen ausstehender Kaufpreiszahlungen beantragte die Antragstellerin in München einen dinglichen Arrest.

Das OLG ordnete den Arrest an, obwohl die Sicherung durch den Eigentumsvorbehalt aufgrund der Installation der Anlagen in Slowenien nur eingeschränkt wirksam war.

Kernpunkte der Entscheidung

  1. Rechtswahl und Eigentumsvorbehalt: Die Parteien hatten deutsches Recht gewählt. Nach deutschem Recht (§ 449 BGB) kann ein Verkäufer die Herausgabe der Kaufsache verlangen, wenn er vom Vertrag zurücktritt. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) regelt hingegen dingliche Fragen wie den Eigentumsvorbehalt nicht direkt.
  2. Rechtskonflikte bei dinglichen Sicherheiten: Die Wirkung des Eigentumsvorbehalts richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet (Art. 43 EGBGB). Im vorliegenden Fall unterlag die Wirksamkeit der Sicherungsabrede slowenischem Recht. Nach slowenischem Recht kann ein Eigentumsvorbehalt erlöschen, wenn die Kaufsache fest mit einem Grundstück verbunden wird.
  3. Einschränkung der Arrestmöglichkeit: Das Gericht stellte fest, dass es für die Pfändung eines Anwartschaftsrechts an einer im Ausland befindlichen Sache an der internationalen Zuständigkeit mangelt.

Praktische Implikationen für die Vertragsgestaltung

Das Urteil zeigt, dass ein Eigentumsvorbehalt allein häufig nicht ausreicht, um eine effektive Sicherung in Exportgeschäften zu gewährleisten:

  • Länderspezifische Anforderungen beachten: Unternehmen sollten vorab prüfen, welche Anforderungen an Eigentumsvorbehalte in Zielländern bestehen, einschließlich der Notwendigkeit notarieller Beglaubigungen.
  • Alternative Sicherungsmittel: Neben dem Eigentumsvorbehalt können andere Sicherheiten, wie Bankgarantien oder Akkreditive, in Betracht gezogen werden.
  • Effektive Vertragsgestaltung: Eine klare Regelung der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarungen ist entscheidend, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.

Der Arrest wurde vom OLG München trotz der problematischen Wirksamkeit des Eigentumsvorbehalts aus folgenden Gründen angeordnet:

1. Zulässigkeit und Zuständigkeit des Gerichts

Das OLG München stellte fest, dass das Gericht nach § 919 ZPO und Art. 25 Abs. 1 EuGVVO zuständig war. Diese Vorschriften regeln, dass ein dinglicher Arrest beantragt werden kann, wenn ein ausreichender Bezug zum Gerichtsstand besteht, wie hier durch die Vereinbarung des Gerichtsstandes München.

2. Glaubhaftmachung des Arrestanspruchs

Der Arrestanspruch (Zahlungsforderung) wurde hinreichend glaubhaft gemacht. Es bestand ein konkretes Risiko, dass die Antragstellerin ihre Ansprüche nicht realisieren könnte, da:

  • eine Vollstreckung in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgrund fehlender Gegenseitigkeit nicht gesichert war,
  • das in der Europäischen Union belegene Vermögen der Antragsgegnerin nicht ausreichte, um die Forderungen vollständig zu befriedigen.

3. Arrestgrund wegen Vollstreckungsrisiko

Das Gericht sah einen Arrestgrund nach § 917 Abs. 2 ZPO, da eine Vollstreckung eines deutschen Urteils in den Vereinigten Arabischen Emiraten problematisch war. Die Antragstellerin konnte nicht darauf verwiesen werden, zunächst den Eigentumsvorbehalt durchzusetzen, da:

  • die Geltendmachung des Eigentumsvorbehalts in Slowenien mit erheblichen praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten verbunden war,
  • die Rückabwicklung des Kaufvertrags für die Antragstellerin wirtschaftlich unzumutbar war.

4. Rechtliche Bedeutung des Eigentumsvorbehalts

Das Gericht argumentierte, dass der Eigentumsvorbehalt der Antragstellerin keine ausreichende Sicherheit bot, um den Arrestgrund auszuschließen. Gründe hierfür waren:

  • Der Eigentumsvorbehalt erlosch möglicherweise durch die Installation der Produktionsanlage in Slowenien, was die dingliche Wirkung beeinträchtigte.
  • Der Rückgriff auf slowenisches Recht für die Durchsetzung des Anwartschaftsrechts des Käufers war ungewiss und mit zusätzlichen Hindernissen behaftet.

5. Pragmatische Erwägungen

Das OLG betonte, dass die Antragstellerin berechtigterweise nicht den Kaufvertrag rückabwickeln wollte, sondern primär die Zahlung der offenen Forderungen anstrebte. Die gerichtliche Anordnung des Arrests war eine pragmatische Lösung, um die finanziellen Interessen der Antragstellerin zu sichern, bevor weitere rechtliche Schritte unternommen werden mussten.


Insgesamt zeigt der Fall, dass das Gericht die Anordnung des Arrests als notwendige Maßnahme zum Schutz der Gläubigerrechte ansah, selbst wenn der Eigentumsvorbehalt aufgrund der Umstände im Ausland nicht vollumfänglich wirksam war.